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Nachhaltigkeit im Familientourismus – ein Qualitätsmerkmal mit Potenzial

07.12.2020

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4 min

Der Begriff Nachhaltigkeit ist in aller Munde und wird inflationär genutzt – oft diffus für unterschiedliche Sachverhalte, Anliegen und Ideen. Für einen wachsenden Anteil der Bevölkerung spielt Nachhaltigkeit eine Rolle in der Gestaltung ihres Lebens und damit auch bei Kauf- und Buchungsentscheidungen. Welche Bedeutung hat Nachhaltigkeit im Tourismus? Und inwieweit ist Familien Nachhaltigkeit für ihren Urlaub wichtig?

© Weniger Plastik – ein Schritt zu mehr Nachhaltigkeit bei Karls Erlebnisdörfern. Foto: TMV/GvM

Grüne Ideen – schwarze Zahlen

Nachhaltigkeit ist für die meisten Urlauber nicht das Hauptmotiv bei ihrer Entscheidung für eine Reise, ein Hotel oder einen Ausflug. Laut Reiseanalyse der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) 2020 möchten die Gäste in erster Linie Zeit für einander haben, sich entspannen, sich ablenken oder etwas Neues kennen lernen. Nachhaltigkeit sollte daher auf der Anbieterseite als ein Qualitätskriterium verstanden werden, das das schon vorhandene Produkt aufwertet und damit sowohl buchungsentscheidend sein kann, als auch zu einem umfassenderen Urlaubserlebnis und einer höheren Gästezufriedenheit führt. Das belegen auch die Zahlen der FUR-Reiseanalyse 2019, in denen eine klare Zunahme bei der Zustimmung zu der Aussage „Nachhaltigkeit war – neben anderen Dingen – ein Aspekt bei der Gestaltung der Reise“ von elf Prozent im Jahre 2013 auf 23 Prozent im Jahre 2018 zu verzeichnen ist. Für die Entscheidung, das Reiseziel Mecklenburg-Vorpommern zu wählen, spielt die Nachhaltigkeit mit 39 Prozent im Vergleich zu anderen Bundesländern eine große Rolle (Bundesdurchschnitt 31 Prozent).

Nachhaltigkeit als wichtiges Thema für Familien

Nicht zuletzt durch die "Fridays for Future"-Bewegung ist das Thema Nachhaltigkeit weiter in die Öffentlichkeit gerückt. Familien haben eine besonders starke Motivation, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen: Kinder beschäftigen sich in der Schule und durch die "Fridays for Future"-Bewegung inhaltlich mit den Konsequenzen unseres Handelns. Die Eltern stellen sich die Frage, wie die Welt in 20 oder 50 Jahren aussehen wird und wie ihre Kinder wohl in der Zukunft auf unserer Erde leben werden. Laut einer Studie des Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) beantworten 45 Prozent der Befragten die Frage „Was beeinflusst das Verbraucherverhalten am meisten, wenn es um das Thema Umwelt geht?“ mit „Meine Kinder“.  Das Thema hat Einzug in den Familienalltag gehalten und ist damit auch für die Buchungsentscheidung beim Familienurlaub von immer größerer Bedeutung. Seit diesem Jahr wird dieser Nachfrage nach Nachhaltigkeit im Urlaub auch im Qualitätsmanagement Familienurlaub MV noch intensiver entsprochen. So wurden in die Anträge für die Auszeichnung im Qualitätsmanagement vier Fragen zum Thema Nachhaltigkeit aufgenommen. Bei der Auswertung der Anträge wurde festgestellt, dass dieses Thema ganz unterschiedlich und auch unterschiedlich ausgeprägt in den teilnehmenden Betrieben verstanden wird: Von Solarenergie bis zu E-Bike-Ladestationen, vom Müllsammeln am Strand bis zu einem vegetarischen Speiseangebot. Eine Auswertung des Reiseverhaltens hat gezeigt, dass Familien im Vergleich zu anderen Urlaubern weniger nachhaltig reisen. So reisen sie beispielsweise öfter mit dem Auto an als andere Urlauber. Der stärkste Grund dafür dürfte die nur schwer zu bewältigende Aufgabe sein, bei einer Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln die komplette Ausstattung für die Kinder vom Kinderwagen über Spielzeuge bis zum Dreirad zu transportieren. Das ist daher eine klare Aufgabe für alle Anbieter, die Bedürfnisse von Familien mehr zu berücksichtigen und den Familien mehr und bessere Möglichkeiten anzubieten, damit diese ihren Wunsch nach Nachhaltigkeit im Urlaub einfacher umsetzen können.

Zertifizierungen und Best Practice im Land

In Mecklenburg-Vorpommern haben sich viele touristische Betriebe schon auf einen nachhaltigen Weg gemacht, teilweise mit Hilfe von Zertifizierungen, mit Unterstützung von speziellen Beratungsangeboten oder durch die Mitgliedschaft bzw. als Kooperationspartner von Bio- oder Umweltvereinigungen. Die Vielfalt der Zertifikate ist groß, eine Übersicht zu den unterschiedlichen Zertifizierungsmöglichkeiten gibt es bspw. bei "fair unterwegs" (www.fairunterwegs.org/vor-der-reise/labelfuehrer) . Beratungsangebote sind zum Beispiel die Energiekampagne "MVeffizient" oder der DEHOGA-Umweltcheck. Kooperationspartner können das "forumandersreisen", "atmosfair" oder "FahrtzielNatur" sein. 

Die Stellschrauben: Inspiration von einfach und klein bis umfassend

Wer nicht sofort mit einem Zertifizierungsprozess starten möchte, kann mit kleinen Dingen beginnen. Inspirationen finden sich sowohl bei anderen Unternehmen sowie den Zertifizierern.
Was die Familientourismusberater "Gäste von Morgen" bei Bereisungen festgestellt haben: Es wird schon viel getan, aber noch viel zu wenig über die einzelnen Ideen und Ansätze geredet. Oft hat der Gast bisher keine Chance zu bemerken, dass das Unternehmen sich schon mit diesem Thema auseinandersetzt. Die Unternehmen sollten ihre Maßnahmen kommunizieren, ob mit Aufstellern auf dem Buffet, einem Siegel auf der Seife oder einem Verweis in ihrem Werbematerial. So können sie die zunehmende Anzahl von Familien begeistern, die immer mehr Wert auf Nachhaltigkeit in ihrem Leben legt, und ihr Unternehmen profilieren.

Hintergrund

Oft wird der Begriff der Nachhaltigkeit analog zu ökologisch verwendet. Dieses greift zu kurz, um alle Aspekte zu erfassen, daher hilft das Drei-Säulen-Modell bei der Begriffsklärung der nachhaltigen Entwicklung. Diesem folgend wird nachhaltige Entwicklung als eine gleichberechtigte und gleichzeitige Berücksichtigung und Umsetzung von ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Zielen definiert. Die ökologische Nachhaltigkeit gibt das Ziel vor, keinen Raubbau an der Natur zu betreiben, sondern nur so viele Ressourcen zu verbrauchen wie sich auch wieder regenerieren. Die zweite Säule ist die ökonomische Nachhaltigkeit. Darunter wird die nachhaltige Wirtschaft verstanden, mit der Kernaussage, dass eine Gesellschaft nicht über ihre Verhältnisse und nicht auf Kosten der kommenden Generation lebt. Als dritte Säule beschreibt die soziale Nachhaltigkeit die sozialen Aspekte und rückt den Menschen in den Mittelpunkt des Nachhaltigkeitsgedankens. Im touristischen Kontext kann sich die ökologische Nachhaltigkeit beispielsweise im sparsamen Umgang mit Ressourcen, durch den Bezug erneuerbarer Energien oder den Einsatz regionaler Lebensmittel entfalten. Die ökonomische Nachhaltigkeit könnte sich bei der Förderung von Umwelt-Projekten manifestieren, während sich die soziale Nachhaltigkeit in der Berücksichtigung der Interessen der Arbeitnehmer wiederfindet. Ein Beispiel für eine umfassende Umsetzung der sozialen Komponente ist der Zusammenschluss der Fair Job Hotels (www.fair-job-hotels.de), die sich diesen Maximen verpflichtet haben und sie nutzen, um in Zeiten des Fachkräftemangels potenzielle Mitarbeiter für sich zu gewinnen.

Download: Information und Inspiration für mehr Nachhaltigkeit