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Digitale Services im Tourismus entwickeln aber „Human Touches“ erhalten

23.12.2019

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Professor Matthias Wißotzki, Hochschule Wismar, und Dirk Klein, Sales Marketing Manager im Haffhus, mit ihren Statements zum Thema Digitalisierung in der Tourismusbranche

© Professor Matthias Wißotzki, Hochschule Wismar. Foto: #digitalesMV

Professor Matthias Wißotzki, Hochschule Wismar: Der Begriff Digitalisierung taucht momentan überall auf und wir müssen uns kontinuierlich mit der zunehmenden digitalen Vernetzung, intelligenten Sprachassistenten sowie omnipräsenten Zugangstechnologien im privaten sowie beruflichen Umfeld auseinandersetzen. Dies gilt selbstverständlich auch für die Urlauber sowie den Umgang mit Urlaubsgästen in unserem Bundesland. Da die Akteure der Branche wie in jedem Jahr auf dem Tourismustag zusammenkommen, sollten sie die Möglichkeit nutzen, um diese und andere damit in Zusammenhang stehende Thesen zu diskutieren und Maßnahmen abzuleiten.

Nachhaltig und Wichtig: Investitionen in das Thema Digitalisierung sind kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Es geht dabei schon lange nicht mehr nur um eine schnelle Internetversorgung, denn diese ist nur die Grundlage für die darauf aufbauenden Services und Geschäftsmodelle. Wenn bestimmte Bedarfe mit Hilfe von Technologien und digitalen Services nachhaltig entwickelt werden sollen, dann müssen diese auch entsprechend geplant, umgesetzt und gepflegt werden – wie es uns bereits aus anderen strategischen betriebsrelevanten Investitionen bekannt ist.

Refinanzierung durch Analyse bestehender und Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Selbstverständlich wird nicht digitalisiert der Digitalisierung wegen. Die daraus möglichen Maßnahmen können sich nach außen in Richtung Kunden und/oder nach innen in Richtung Ablauforganisation richten. Jede technologisch bedingte Veränderung, unabhängig der Richtung sollte im Gesamtkontext des Unternehmens betrachtet werden, um so die betriebswirtschaftliche Wirksamkeit auf das bestehende Geschäftsmodell zu erfassen. Diese müssen nicht immer in monetärer Form vorliegen, da auch ein erhöhter Kundennutzen, Einhaltung von Standards und Prozessvereinfachungen zur Kundenund Mitarbeiterbindung beiträgt. Diese Art der Gratifikation wirkt sich wiederum auf die Position im Wettbewerb aus, welcher auf Basis kontinuierlich durchgeführter Analysen hinsichtlich digitaler Aktivitäten als Benchmark genutzt werden kann.

Vernetzung der Kräfte: Die Arbeitssituation im touristischen Segment hat sich in den letzten Jahren sehr verändert. Die Akteure der Branche müssen nicht nur im eigentlichen Gastgewerbe hervorragend sein, sondern auch im Umgang mit Online- Vertrieb, dem Umgang mit sozialen Medien, der technologischen Infrastruktur sowie einer umfassenden, zum Teil heterogenen Anwendungslandschaft im eigenen Haus. Um nun einen möglichst nachhaltigen Betrieb zu führen, ist der Bedarf an Fach- und Nachwuchskräften groß, jedoch unzureichend sichergestellt. Um neue und junge Leute nach MV zu locken, sollten wir unsere Fähigkeit in der Vermarktung von MV als Urlaubsland auch auf MV als Arbeitsland anwenden. „Arbeiten wo andere Urlaub machen“ ist insbesondere auch für die Digital Natives ein passendes Motto und hat branchenübergreifend Ausstrahlung. Wie? Mit einer entschlossenen interdisziplinären Zusammenarbeit mit den dazu notwendigen Ressorts im Land.

Dirk Klein, Manager Hotel & Ferienanlage Haffhus: Die Digitalisierung im Tourismus und in der Hotellerie steckt aus meiner Sicht immer noch in den Kinderschuhen. Innovationen in diesem Bereich kommen viel zu selten aus eigenem Antrieb. Die Branche ruht sich auf dem Erfolg vergangener Jahre aus und verliert dabei den Blick nach vorn. Natürlich müssen wir uns die „Human Touches“ erhalten, es geht nicht darum, mit dem Gast nicht mehr in Kontakt zu treten und alles nur noch digital abzubilden – es geht vielmehr darum, ressourcenschonender und effizienter zu arbeiten und digitale Services den Gästen zu bieten, die diese nutzen möchten. Für alle anderen Gäste bleibt dann in jedem Fall mehr Zeit für eine individuellere Betreuung. Warum gehört es noch immer nicht zum Standard, einen Restaurantplatz, eine Massage, Fahrräder oder die notwendige Ladestation am Hotel online buchen zu können? Stattdessen werden die Reservierungsbestätigungen immer länger, da man ja noch auf die möglichen Zusatzleistungen hinweisen möchte, die dann nach Rücksprache und Angabe von einem Wunschtermin und nach stundenlangem Hin- und Hertelefonieren vielleicht auch gebucht werden.

Ein Anruf in einem Hotel oder einer Touristikinformation wird in Zukunft das letzte Mittel sein, um eine Auskunft zu bekommen oder einen Service zu buchen. Wir bei uns im Haffhus fragen uns nach jedem Telefongespräch, war das wirklich notwendig, gibt es eine Möglichkeit die erfolgte telefonische Auskunft vorher bereitzustellen beziehungsweise leicht abrufbar zu machen? Es geht dabei natürlich immer um smarte Lösungen. Digitalisierung ist nur erfolgreich, wenn die bereitgestellten Anwendungen einfach zu nutzen sind. Restriktionen sollten überdacht werden und nicht digitale Prozesse behindern, so wie aktuell die Bundesregierung bei der Umsetzung des digitalen Meldescheins Sicherheitsmaßnahmen fordert, die nichts mehr mit einer Erleichterung zu tun haben, sondern die Usability erheblich erschwert. Beim Meldeschein auf Papier musste der Gast nicht einmal den Ausweis vorzeigen, beim digitalen Meldeschein benötigen wir den PSD2-Zahlungsverkehrsstandard. Auch intern müssen die Möglichkeiten der Digitalisierung mehr Beachtung finden. Das fängt beim Monitoring des Energieverbrauchs für einen effektiveren Umgang an und hört bei der Hausdamenliste und den Wartungsaufgaben für den Haustechniker auf.