20.01.2025
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Schullandheim- und Jugendherbergsverband Mecklenburg-Vorpommern fordern Politik zum Handeln auf
Lehrer*innen und Gruppenleiter*innen fahren gerne auf Klassenfahrten und Jugendfreizeiten nach Mecklenburg-Vorpommern. Sie erachten die Fahrten für ihre Teilnehmer als sehr wichtig. Gleichzeitig bilden Finanzierungsschwierigkeiten bei Familien, Verhaltensauffälligkeiten bei Jugendlichen und Kostensteigerungen auf allen Ebenen erhebliche, strukturelle Hürden für die Fahrten.
Das konstatiert eine Umfrage des DJH-Landesverbandes MV und des Landesverbandes der Schullandheime MV. Befragt wurden während der gesamten Saison 2024 Lehrkräfte und Betreuende von Klassenfahrten sowie Betreuende von Ferienfreizeiten und Vereinsfahrten, die 2024 Unterkünfte in Mecklenburg-Vorpommern genutzt hatten.
„Die Umfrageergebnisse lassen Rückschlüsse darauf zu, warum trotz ungebrochenen Zuspruchs unserer Zielgruppen zur Relevanz von Klassenfahrten und Jugendreisen die Übernachtungszahlen in unseren Häusern seit Jahren rückläufig sind: Die Ursachen hierfür sind struktureller Art. Deshalb sind konkrete politische Maßnahmen notwendig, um sie zu bekämpfen“, erklärt Kai-Michael Stybel, vom Deutschen Jugendherbergswerk Landesverband Mecklenburg-Vorpommern e. V.
Die Verbände haben daher die Umfrageergebnisse mit einem konkreten Maßnahmenkatalog untersetzt, wie der Negativtrend im Kinder- und Jugendreisen nach Mecklenburg-Vorpommern aufgehalten werden kann. Adressat der politischen Forderungen sind die zuständigen Landtagsausschüsse und Ministerien für Wirtschaft, Soziales und Bildung in MV.
Ergebnisse der Befragung: Hürden für Fahrten sind struktureller Art
Die Relevanz von Klassenfahrten und Jugendfreizeiten für junge Menschen wird von den Befragten durchweg bestätigt: 93 Prozent halten die Fahrt für ihre Teilnehmenden für sehr wichtig, 80 Prozent bestätigen, dass sie gerne mit ihrer Gruppe unterwegs sind. Umso beunruhigender sind jedoch zahlreiche Risikofaktoren, die in der heutigen Zeit die Durchführung der Fahrten gefährden:
So sagt die Hälfte der Befragten aus, dass Verhaltensauffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen die Reisen immer stärker gefährden. Die Beobachtung deckt sich mit den Ergebnissen weithin bekannter Jugendstudien, die zunehmend mangelnde Sozialfähigkeit und psychosoziale Probleme bei Kindern und Jugendlichen feststellen. Mitarbeitende in Jugendherbergen und Schullandheimen beobachten dies ebenfalls in den letzten Jahren verstärkt. Eine Erhöhung des Betreuungsschlüssels, um auch betreuungsbedürftigere Kinder auf Fahrten zu integrieren, scheitert jedoch oft aus finanziellen Gründen oder weil Fachpersonal bei Schulen und Vereinen fehlt, so die Befragten.
Neben den sozialen Problemen machen unzureichende Finanzmittel Lehrkräften und Betreuenden die größten Sorgen: Rund die Hälfte der Befragten hat Schwierigkeiten, die gestiegenen Reisekosten aufzubringen, und das trotz Nutzung von Fördermitteln. Ein Viertel der Befragten sieht Finanzierungslücken bei den Familien als Grund dafür, warum einzelne Kinder einer Schulklasse oder Vereinsgruppe immer häufiger nicht zur Fahrt mitkommen: Das Geld reicht schlichtweg nicht. „Die Folge ist der Ausschluss von Kindern aus finanzschwachen Elternhäusern, die ohnehin schon sozial benachteiligt sind. Das ist das Gegenteil sozialer Teilhabe und Inklusion“, konstatiert Stefan Baerens vom Landesverband der Schullandheime Mecklenburg-Vorpommern e. V. die Umfrageergebnisse.
Das Preis-Leistungsverhältnis der Unterkünfte wird von 80 Prozent der Befragten als gut bewertet. Das Verständnis der Zielgruppe für Kostensteigerungen in den Häusern stimmt die Verbände jedoch nur zum Teil zuversichtlich: Im Zuge der Energiewende stehen massive Investitionen an, um die Jugendunterkünfte auf erneuerbare Energien umzustellen.
„Auch wir wollen unseren Beitrag zur Energiewende leisten, scheitern aber an fehlenden Investitionsmitteln durch sinkende Erträge. Theoretisch müssten wir unsere Preise noch stärker erhöhen. Das ist für unsere Zielgruppe aber nicht zumutbar und hätte zur Folge, dass sich noch weniger Familien die Fahrtenpreise für ihre Kinder leisten könnten. Es ist ein Teufelskreis!“, erklärt Stybel.
Politische Maßnahmen zur Trendwende
Für die beiden Verbände machen die Umfrageergebnisse eines klar: Die Probleme im Kinder- und Jugendreisen sind struktureller Art. Deshalb sind sie auch nur mithilfe konkreter politischer Maßnahmen lösbar. Die Kernforderungen sind im Einzelnen:
Sozialpolitische Maßnahmen
Die Verbände fordern, die Landesmittel für Kinder- und Jugendfreizeiten den gestiegenen Kosten anzupassen und die Jugendverbände sowie andere Akteure in der Jugendarbeit sachgerecht stärker zu bezuschussen. Hiermit könnten Teilnehmendenbeiträge für Kinder und Jugendliche gesenkt und Betreuungsschlüssel für die steigende Anzahl betreuungsintensiver Kinder und Jugendlicher ausreichend finanziert werden. Die für die Jahre 2024/2025 erfolgten Erhöhungen des Tagessatzes für Kinder- und Jugendfreizeiten seitens des Landes sind ein erster Schritt in die richtige Richtung, bleiben aber weit hinter dem steigenden Bedarf zurück.
Wirtschaftspolitische Maßnahmen
Die Verbände fordern zielgerichtete Investitionsförderungen für Einrichtungen der Jugendarbeit, Jugendbildung und Jugenderholung. Für den Doppelhaushalt 2024/2025 waren diese ursprünglich vorhandenen Landesmittel komplett gestrichen worden. Zusätzlich soll für die kommenden zehn Jahre ein praktikables Investitionsprogramm für gemeinnützige Träger zur energetischen Sanierung ihrer Gebäude bereitgestellt werden. Ein weiterer Kritikpunkt sind die insbesondere für Jugendgruppen oft nicht mehr ausreichenden Verkehrsverbindungen im Land, was die Erreichbarkeit von Reisezielen sowie Ausflüge vor Ort erschwert.
Bildungspolitische Maßnahmen
Für Schulfahrten fordern die Verbände unter anderem die zuverlässige und auskömmliche Absicherung der Dienstreisekosten von Lehrenden. Zuletzt hatte Berlin die Genehmigung von Klassenfahrten ausgesetzt, weil das Geld für Dienstreisekosten der Lehrkräfte fehlte. „Das Bildungsministerium Mecklenburg-Vorpommern hat daraufhin öffentlich beteuert, dass die Dienstreisekosten für Lehrkräfte in MV abgesichert sind. Wir hoffen inständig, dass es trotz bekannter Sparzwänge im Haushalt dabeibleibt“, so Stefan Baerens von den Schullandheimen.