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im-jaich Wasserferienwelt Rügen – Nachhaltigkeit aus Überzeugung

05.07.2022

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5 min

Till Jaich und sein Bruder Hans fühlen sich der Umwelt aus tiefster Überzeugung verpflichtet und das lange bevor Nachhaltigkeit ein Trend und in aller Munde war. Als Pioniere in Sachen Nachhaltigkeit haben sie bereits sehr viele Maßnahmen insbesondere zur Reduktion von Energie- und Ressourcenverbräuchen umgesetzt.

Im Interview: Till Jaich

Geschäftsführer der im-Jaich Yachthäfen & Wasserferienwelten in Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Bremen

Wir müssen lernen, nicht mehr um jeden Preis wachsen zu wollen. Wir wollen keinen Rebound Effekt – kein durch Einsparung angetriebenes Wachstum.

Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern:

Ihre Kernkompetenz ist Wassertourismus. Mit gleicher Leidenschaft widmen Sie sich seit vielen Jahren den Themen Energie, Klima- und Naturschutz. Was war vor 27 Jahren Ihre Motivation?

Till Jaich:

Aufgewachsen im Norden und am Meer habe ich schon als Kind viel Zeit auf dem Wasser verbracht. Als Segler ist man der Natur und den Elementen sehr nah und aus dem Gefühl der Verbundenheit erwächst auch ein Verantwortungsbewusstsein: Es liegt in unserer Hand, die Schöpfung für uns und unsere Nachkommen zu erhalten. Die Herausforderung war damals und ist auch heute, es uns und unseren Mitarbeitern ganzjährig zu ermöglichen, auf Rügen naturverträglich zu leben und zu arbeiten.

TMV:

An welchen Projekten arbeiten Sie aktuell bzw. welche sind in Planung?

Till Jaich:

Aktuell entwickeln wir für die Naturoase Gustow und die Wasserferienwelt Lauterbach ein neues Energiekonzept. In beiden Standorten betreiben wir bereits ein eigenes Nahwärmenetz und es kommen auch regenerative Energien zum Einsatz. Das Energiekonzept in Lauterbach mit seinem Blockheizkraftwerk war 2011 sehr innovativ. Dennoch verbrennen wir immer noch Gas, von dem wir uns unabhängig machen wollen. Es bedarf daher nach etwa zehn Jahren einer neuen Kraftanstrengung. Die Planung hierzu läuft bereits seit über einem Jahr und ist jetzt in der Umsetzung.

TMV:

Nachhaltigkeit ist ein so unfassbar komplexes Thema, weil es nur ganzheitlich betrachtet einen substanziellen Beitrag zum Umweltschutz und zur Bewältigung der Klimakrise leistet.   Welche weiteren Maßnahmen setzen Sie in Ihrem Unternehmen um?

Till Jaich:

Wir nutzen in unseren gastronomischen Einrichtungen Mehrweg- und Pfandsysteme und sind auf Rügen Teil der reCup-Community.  Die meisten unserer verwendeten Lebensmittel sind Bio oder regional produziert. Unsere Druckerzeugnisse haben wir stark reduziert und die CO²-Emission der verbleibenden kompensieren wir über zertifizierte Klimaschutzprojekte von ClimatePartner.com. Die Wasserferienwelt in Lauterbach ist zertifiziert als „Fahrziel Natur“ mit guter Zuganbindung. Jeden Gast, der mit seinem Rad anreist, begrüßen wir zudem mit einem Bio-Energieriegel. Luftpumpe, Flickzeug, Radgaragen sowie Ladesäulen für E-Bikes, natürlich gespeist mit Strom aus regenerativen Quellen, sollen das umweltfreundliche Reiseverhalten unserer Gäste unterstützen und belohnen.   In unseren Anlagen auf Rügen haben wir über 5.000 Wildstauden gepflanzt, um dort Orte biologischer Vielfalt zu schaffen. Wir bieten mit extra angebrachten Quartieren Fledermäusen ein zu Hause und unsere Ferienwohnungen sind vom NABU als schwalbenfreundlich ausgezeichnet. Wir verzichten schon immer auf Stromfresser wie Minibars und Klimaanlagen und unsere Personalbekleidung ist nachhaltig und fair produziert. Sie sehen, es handelt sich allesamt um machbare Maßnahmen, die jedes Unternehmen auch ohne große Investitionen umsetzen kann. Lassen Sie uns gemeinsam die richtigen Dinge tun und nicht die bequemen und leichten.   

 

TMV:

Ganz besonders kreativ ist Ihr Umgang mit den auf den ersten Blick lästigen Mücken und Insekten an und in den schwimmenden Ferienhäusern in Ihrer Wasserferienwelt im Hafen Lauterbach.

Till Jaich:

Wir sind dankbar über die Artenvielfalt und die noch heile Natur unserer Heimat. Da sind auch Insekten ein elementarer Bestandteil dieses Reichtums. Wir haben uns nicht nur gegen jegliche Verwendung von Pestiziden entschieden, sondern versuchen durch Fassadenbegrünung, 31 Gründächer und Pflanzungen diesen Lebensraum zu erhalten oder sogar zu fördern. Heute nisten viele unterschiedliche Vogelarten bei uns und auch eine Spinne darf auf der Terrasse ihr Netz spinnen. Wir verstehen das nicht als Mangel, sondern als Geschenk. Unsere Einstellung zur Natur kommunizieren wir proaktiv und haben jedes unserer Häuser mit einer kleinen Insektenkunde ausgestattet. So leisten wir einen Beitrag zu mehr Umweltbewusstsein und haben gleichzeitig die Kundenzufriedenheit gesteigert. Nicht jeder Gast hat dafür Verständnis, aber irgendwann muss man sich entscheiden. 

TMV:

Ihr Unternehmen gilt als Vorreiter in Sachen Reduktion von Energie- und Ressourcenverbräuchen. Sie sind zertifizierter Partner des Biosphärenreservats Südost-Rügen, waren 2011 Best-Practice-Vorbild der Bioenergieregion Rügen, bieten von der Fachorganisation Viabono zertifizierte klimaneutrale Übernachtungen an und erhielten vor Kurzem den Bremer Umweltpreis 2021. Wer ist Ihr Vorbild in Sachen Nachhaltigkeit?

Till Jaich:

Es gibt nicht nur eine Person oder ein Unternehmen, sondern viele. Wir stehen im Austausch mit unterschiedlichsten Akteuren, wollen im Geiste stets offen sein für neue Erkenntnisse und uns nicht auf dem Erreichten ausruhen. Es gibt noch so viel zu tun!

TMV:

Das Menü Ihrer Webseite enthält nur drei Rubriken: Hafen, Urlaub und Nachhaltigkeit. Ein klares Statement an den Gast und sicher auch USP und Wettbewerbsvorteil?

Till Jaich:

So prominent informieren wir erst seit zwei Jahren, obwohl unser Engagement schon viel länger währt. In der Vergangenheit wussten die meisten unserer Gäste gar nicht, was wir so alles machen. Natürlich ist das heutzutage nicht von Nachteil, auf sein Nachhaltigkeitsmanagement hinzuweisen. Das war jedoch nie unser Antrieb. Wir wollen eher andere zur Nachahmung inspirieren und durch unser klares Bekenntnis auf das Umweltbewusstsein unserer Gäste und auch unserer Mitarbeiter einwirken. Teilweise auch mit messbarem Erfolg. Es bedarf weit mehr Engagement als nur das Realisieren von Einsparungspotenzialen aus wirtschaftlichen Gründen, wenn wir die ökologischen Aufgaben unserer Zeit meistern wollen. Es geht nicht um USP und Wettbewerbsvorteile, es geht um die Frage, welchen Beitrag kann jeder Einzelne leisten. Das betrifft uns alle, Unternehmen tragen jedoch nach unserer Auffassung eine besondere Verantwortung, da wir eine Vorbildfunktion haben.

TMV:

Sie und Ihr Bruder Hans haben bereits viel erreicht. Welchen Herausforderungen wollen Sie sich in den nächsten Jahren stellen?

Till Jaich:

Wir hinterfragen unser Handeln stetig und haben noch viele Bereiche, in denen wir noch viel Verbesserungspotenzial sehen. Das sind oft kleine Dinge, aber auch zum Beispiel die relativ hohen Investitionen in neue regenerative Energiekonzepte für unsere Standorte. Wir müssen jedoch auch lernen, nicht mehr um jeden Preis wachsen zu wollen. Wir sagen jetzt immer öfter nein zu möglichen neuen Geschäftsoptionen und wollen eher das Vorhandene verbessern – wirtschaftlich, sozial und ökologisch nachhaltiger werden. Wir wollen keinen Rebound-Effekt, kein durch Einsparung angetriebenes Wachstum. Immer öfter entscheiden wir uns stattdessen zu freiwilliger Kompensation.

TMV:

Haben Sie zum Schluss noch einen Literaturtipp für uns, der Sie zum (Um)denken inspiriert hat?

Till Jaich:

„Wohlstand ohne Wachstum“ von Tim Jackson und „Befreiung vom Überfluss“ von Nico Paech hält einem den Spiegel vor. Die teils radikalen Thesen helfen bei der Selbstkritik, aber bitte nicht daran verzweifeln!


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