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Pferdetourismus in Deutschland in akuter Existenznot

15.04.2020

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75 Prozent aller Reiterhöfe mit Feriengästen würden längere Schließzeiten deutlich über den April hinaus nicht überstehen

Kinderreitferien in Zislow, Foto: LU/ACP Andreas Pantel

Die Coronakrise trifft die pferdetouristischen Betriebe und alle diejenigen, die Kinderreitferien oder Klassenreisen, Familienurlaub auf dem Reiterhof, Wanderritte, Ferienkurse rund ums Pferd oder Reitaufenthalte für Menschen mit Handicap anbieten, extrem hart.
Eine aktuelle, deutschlandweite Befragung der Bundesarbeitsgemeinschaft Deutschland zu Pferd e. V. (DzP) in Kooperation mit der dwif-Consulting GmbH aus dem Zeitraum 1. bis 13. April ergibt:

Der durchschnittliche Umsatzverlust pro Monat in diesen Betrieben mit jeweils knapp acht Vollbeschäftigen inklusive Unternehmerfamilie, Angestellten und Aushilfen beträgt mehr als 10.000 Euro. Schon bei den 287 Teilnehmerbetrieben an der Befragung summiert sich dies allein im Osterferienzeitraum März und April bereits auf Einbußen in Höhe von 5,9 Millionen Euro, bis Oktober auf über 23,2 Millionen Euro. Ein Verlust mit fatalen Folgen, wie z. B. Entlassung von Mitarbeitern, Verkauf von Pferden bis hin zu Insolvenzen.

Hinzu kommen hohe Stornoquoten für die Monate Mai und Juni (61 Prozent) sowie Juli/August (29 Prozent), Tendenz wöchentlich steigend. Insbesondere die sozial- und familienpolitisch, aber auch wirtschaftlich für die Betriebe so wichtigen Kinderreiterferien, Klassenreisen, Familien und andere Gruppen, wurden vielfach schon weit längerfristiger bis ins Jahr 2021 hinein storniert und drohen auf unabsehbare Zeit vollkommen wegzubrechen. Das verursacht neben den akuten Problemen massive Langfristschäden, die eine Breitenwirkung in den ländlichen Räumen Deutschlands nach sich zieht.

„Sorge bereitet uns dabei vor allem, dass unsere Betriebe nicht einfach Maschinen abstellen können wie die Industrie“, so die Vorsitzende der DzP, Gerlinde Hoffmann. Die Kosten z. B. für Futter, Hufschmied und Tierarzt für die Pferde laufen unvermindert weiter – viele Betriebe haben 20 oder mehr eigene Pferde, nicht wenige sogar weit über 50. „Die staatlichen Soforthilfen sind daher umso wichtiger, sie können jedoch die hohen laufenden Kosten nicht annähernd kompensieren“, so Hoffmann.

Zudem ist der Pferdetourismus ein Saisongeschäft: „Von Ostern bis zu den Herbstferien muss das Geld für den Winter verdient werden. Bricht das weg, sind viele Betriebe spätestens Ende des Jahres akut insolvenz-gefährdet“, so Dr. Mathias Feige, Vorstandsmitglied von DzP und Geschäftsführer des dwif. Er berichtet, dass Betriebsinhaber daher schon jetzt an die eigene Altersversorgung gehen müssen. Nur sieben Prozent der Befragten sind sich sicher, dass sie die Krise gut überstehen, weitere 19 Prozent hoffen dies – in der Regel, weil Umsätze aus anderen Geschäftsbereichen, wie der Landwirtschaft, Verluste zumindest teilweise kompensieren können.

„Wir brauchen die Mitarbeitenden, um unsere 80 Pferde zu versorgen und Stall, Wiesen und Weiden in Ordnung zu halten“, so Rolf Roßbach, ebenfalls im Vorstand von DzP und selbst Betreiber eines Reiterhofes mit Schwerpunkt Kinder, Schulklassen und Familien in der Eifel. „Pferdeverkauf ist für uns keine Option“, so Roßbach, „denn sie sind für uns Familienmitglieder! Außerdem pflegen und erhalten sie unsere gewachsene Kulturlandschaft!“

Natürlich reagieren die Unternehmer: 45 Prozent der Befragten haben, neben vielen Maßnahmen zur generellen Kostenreduktion, bereits Kurzarbeit eingeführt, acht Prozent planen dies; 14 Prozent mussten sogar schon Personal entlassen oder stellen nicht, wie sonst üblich, für die Saison weitere Mitarbeitende ein. So gehen Beschäftigungsverhältnisse im ländlichen Raum verloren.

Viele haben bereits Anträge auf Soforthilfen gestellt. „Aber: unsere pferdetouristischen Unternehmen benötigen jetzt mehr als Soforthilfen“, fassen Hoffmann und Feige die Situation zusammen, „denn die Kosten summieren sich täglich, ohne dass dem Einnahmen entgegenstehen“. Sie appellieren an die Landwirtschafts- und Wirtschaftsministerien von Bund und Ländern: „Denken Sie an diese Betriebe, die wertvolle Beiträge zur Landschaftspflege, der Wirtschaft und der sozialen Gemeinschaft im ländlichen Raum leisten!“

Dietmar Eifler, Vorstandsvorsitzender von LANDURLAUB M-V, ergänzt: „In Mecklenburg-Vorpommern trifft die Corona-Krise ca. 400 pferdetouristische Betriebe. Einer unserer Anbieter mit weit über 100 Pferden, mehr als 20 Mitarbeitern und 320 Betten ist stark auf Kinderreiter- und Familienferien ausgerichtet. Dieser muss die monatlichen Fixkosten von 70.000 Euro nun ohne Einnahmen stämmen. Dies ist nur ein Beispiel, um zu verdeutlichen, wie stark der Pferdetourismus auch hier im Lande betroffen ist und welch große Auswirkungen er auf den ländlichen Raum hat."

Weitere Informationen:

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Deutschland zu Pferd ist ein Zusammenschluss von Tourismus, Sport und Freizeit und vereinigt unter einem Dach die Fachkompetenz der Regionen, der Verbände und Interessenvertreter für den Pferdetourismus in Deutschland. Sie ist DER Zusammenschluss aller übergeordneten Bundesverbände zum Pferd mit dem Bundesverband für Urlaub im Ländlichen Raum mit bundesweit, landesweit und regional aktiven Verbänden und Organisationen, die den Pferdetourismus weiter forcieren!

Auf ihrer Homepage www.deutschlandzupferd.de werden pferdebezogene Urlaubsregionen, Urlaubswelten und pferdetouristische Veranstaltungen für die Urlaubsgäste in Deutschland aufbereitet und dargestellt. Mit nur ein paar Klicks finden Pferdeinteressierte ihren nächsten pferdebezogenen Urlaub in Familie, alleine oder in der Gruppe. Das Ziel der Bundesarbeitsgemeinschaft Deutschland zu Pferds e. V. ist es, die Attraktivität des Pferdelandes Deutschland zu steigern, erlebbar und buchbar zu gestalten und Marktforschungsdaten zu erheben, um das tatsächliche Marktvolumen und die wirtschaftliche Bedeutung des Pferdetourismus darlegen zu können.


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